Ernährungssystem erstmals im Fokus der Weltklimakonferenz – und ich war dabei! 

Jedes Jahr treffen sich Delegierte aus aller Welt auf der UN-Klimakonferenz (COP), um Lösungen für den Klimaschutz zu finden. Auf der diesjährigen Konferenz in Ägypten, der COP 27, genehmigten die Vereinten Nationen erstmals Pavillons, die den Delegierten der rund 200 UN-Mitgliedsstaaten die horrenden Umweltauswirkungen unserer Lebensmittelproduktion und Ernährung vor Augen führten. 

Gemeinsam mit 21 Partnern organisierte ProVeg den „Food4Climate“-Pavillon, der unser Ernährungssystem als maßgebliche Stellschraube für ein besseres Klima in den Vordergrund rückte. Denn: Unser Ernährungssystem ist für bis zu einem Drittel der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich [1, 2, 3]. Dabei sind die Treibhausgas-Emissionen aus der Tierhaltung doppelt so hoch wie die aus der Produktion pflanzlicher Lebensmittel [4, 2] – und das, obwohl gerade einmal 18 % der weltweit verzehrten Kalorien aus der Fleisch- und Milchproduktion stammen [5]. 

Auch ich war mit meinen Kolleg*innen von ProVeg vor Ort und hatte die große Ehre, vor den Vereinten Nationen über die dringende Notwendigkeit einer Transformation unseres Ernährungssystems zu sprechen. Konkret ging es bei meiner 15-minütigen Ansprache um die Umgestaltung staatlicher Ernährungsrichtlinien. Diese Richtlinien nehmen vor allem indirekt Einfluss auf unsere Ernährung. Sie bestimmen den Rahmen für Ernährungs-, Gesundheits- und Landwirtschaftspolitik sowie für Programme, die eine gesunde Ernährung und Lebensweise fördern sollen. Sie beeinflussen außerdem die Menüplanung in der Gemeinschaftsverpflegung von Kindergärten, Schulen, Universitäten und Betriebskantinen und bilden die Grundlage für die Ernährungsberatung durch entsprechendes Fachpersonal. 

Die Mehrheit der Länder weltweit verfügt über solche staatlichen Ernährungsrichtlinien, so dass sich hier eine enorme Chance bietet, sie für eine globale Ernährungswende zu nutzen. Allerdings sind die Regierungen bei der Integration von Gesundheits- und Nachhaltigkeitszielen im Rückstand. In einem knapp zweijährigen Forschungsprojekt haben mein Team und ich uns der Frage gewidmet, ob und wie die Richtlinien Informationen liefern, die das breite Spektrum der pflanzlichen Ernährungsweisen abdecken. Wir analysierten die Richtlinien von insgesamt 100 Ländern und konnten ein erhebliches Informationsdefizit in zahlreichen Länderrichtlinien feststellen. Die Studie wurde in der internationalen Fachzeitschrift Current Developments in Nutrition veröffentlicht, die detaillierten Ergebnisse können hier eingesehen werden [6]

Es scheint, als käme unsere Studie genau zum richtigen Zeitpunkt. Die Wissenschaftler*innen des Weltklimarats (IPCC) haben in ihrem aktuellen Bericht eine nachhaltige, gesunde Ernährung, die eine ausdrückliche Reduktion des Konsums von Fleisch und Molkereiprodukten beinhaltet, als größte Einzelbeiträge zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen identifiziert. Gleichzeitig verweisen sie auf die wichtige Rolle staatlicher Ernährungsrichtlinien für das Ernährungssystem und kritisieren dieselben Punkte, die auch unsere Studie bemängelt. [7]

Fazit? Wir haben in diesen zwei Wochen unmissverständlich klargemacht, dass es ohne eine Umgestaltung unserer Ernährungssysteme keine Chance gibt, die internationalen Klimaziele zu erreichen. Viele Delegierte haben dabei womöglich zum ersten Mal verstanden, dass die Ernährungssysteme für die Bewältigung des Klimawandels entscheidend sind. Während die diesjährigen Gespräche das Bewusstsein für die Auswirkungen unserer Ernährungssysteme geschärft haben, zeichneten die Verhandlungsergebnisse allerdings ein anderes Bild. Die Abschlusserklärung zum UN-Rahmenwerk über Ernährung und Landwirtschaft erscheint nur wenig ambitioniert, die Notwendigkeit einer veränderten Ernährung blieb ganz außer Acht.

Die „Food4Climate“-Partner wollen deshalb auch auf der Weltklimakonferenz in Dubai im nächsten Jahr einen Pavillon errichten und dafür sorgen, dass die Umgestaltung unserer Ernährungssysteme ein integraler Bestandteil der Verhandlungen wird. 

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Quellen:

[1] Crippa, M., E. Solazzo, D. Guizzardi, et al. (2021): Food systems are responsible for a third of global anthropogenic GHG emissions. Nature Food. Doi:10.1038/s43016-021-00225-9 doi:10.1038/s43016-021-00225-9

[2] Xu, X., P. Sharma, S. Shu, et al. (2021): Global greenhouse gas emissions from animal-based foods are twice those of plant-based foods. Nature Food 2(9), 724–732. Doi:10.1038/s43016-021-00358-x

[3] IPCC (2019): Climate Change and Land: an IPCC special report on climate change, desertification, land degradation, sustainable land management, food security, and greenhouse gas fluxes in terrestrial ecosystems. Online unter: https://www.ipcc.ch/srccl/download/ [16.11.2022]

[4] Reinhard, G., S. Gärtner und T. Wagner (2020): Ökologische Fußabdrücke von Lebensmitteln und Gerichten in Deutschland. Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu). Heidelberg. Online unter: https://www.ifeu.de/fileadmin/uploads/Reinhardt-Gaertner-Wagner-2020-Oekologische-Fu%C3%9Fabdruecke-von-Lebensmitteln-und-Gerichten-in-Deutschland-ifeu-2020.pdf [16.11.2022]

[5] UN Food and Agriculture Organization (FAO) OurWordlinData.org – Research and data to make progress against the world’s largest problems. Licensed under CC-BY by the author Hannah Richtie and Max Roser (2013) – land use

[6]  Klapp, A.-L., Feil N., Risius A. (2022): A Global Analysis of National Dietary Guidelines on Plant-Based Diets and Substitutions for Animal-Based Foods, in: Current Developments in Nutrition, Volume 6, Issue 11, November 2022, nzac144. Online unter: https://doi.org/10.1093/cdn/nza

[7] IPCC (2022): Sixth Assessment Report: Mitigation of Climate Change. Online unter: https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg3/

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