Avocado – die dunkle Seite des Veganismus?

Der Avocado-Hype wird medial oft als „veganes Phänomen“ bezeichnet und scharf kritisiert. Ihr Anbau gilt als ökologisch höchst bedenklich und laut einer aktuellen BBC TV-Show ist die Avocado noch nicht einmal vegan. Food Revolte klärt auf.

Vermutlich gibt es von keiner anderen Frucht im Internet so viele Bilder, Videos, Memes und Gifs wie von der Avocado. Allein auf Instagram sind 8,7 Millionen Beiträge mit dem Hashtag #Avocado versehen. Sie hat in den letzten Jahren die Herzen vieler Menschen erobert und mittlerweile eröffnen sogar Cafés und Restaurants, deren Speisekarten nur eine Hauptzutat kennen: Avocado.

Ist der Avocado-Himmel zum greifen nah?

Wer schon mal ein frischgebackenes Brötchen mit Avocado und etwas Salz und Pfeffer gegessen hat, der weiß: Das Zeug ist verdammt lecker. Und wer schon mal so experimentierfreudig war und mit Avocados einen Kuchen gebacken hat, der weiß ebenfalls: OMG, das ist ja der Hammer. Führt uns die derzeitige Entwicklung also in einen wunderschönen Avocado-Himmel? Leider nein.

Wasserverbrauch der Avocado

Der Anbau der Avocado, insbesondere ihr Wasserverbrauch, wird scharf kritisiert. Zurecht. Dieser Punkt ist allerdings erklärungsbedürftig. Denn vergleicht man den Wasserverbrauch der Avocado mit anderen Lebensmitteln, wirkt das Ganze erst mal weniger problematisch: Für 1 kg Avocado werden etwa 1.100 Liter Wasser benötigt, für 1 kg Getreide sind es 1.600 Liter Wasser, für 1 kg Hülsenfrüchte sind es 4.000 Liter Wasser und für 1 kg Rindfleisch sind es 15.000 Liter Wasser. [1] Das eigentliche Problem liegt in den Anbaugebieten.

Prekäre Lage durch Wassermangel

Der Anbau von Avocados erfolgt vor allem in Chile, Mexiko und Peru und damit in Ländern, die von Wassermangel betroffen sind. In Chile ist darüber hinaus das Unvorstellbare passiert: die Wasserversorgung wurden privatisiert. Was als „experimenteller“ Charakter des neoliberalen Modells in Chile schöngeredet wurde, heißt nichts anderes, als das Wasser hier kein Menschenrecht mehr ist. [2] Die Wasserrechte konzentrieren sich seitdem auf einige wenige mächtige Unternehmen und diese verwenden einen großen Teil des Wassers für den Anbau von Lebensmitteln, die für den Export in andere Länder bestimmt sind, wie die Avocado.

Wüstenlandschaften durch Avocado-Boom

In Chile werden mittlerweile 80 % des Trinkwassers in der Agrarindustrie verbraucht. Ganze Landflächen wurden im Zuge des boomenden Avocado-Anbaus in Wüstenlandschaften verwandelt. Die Kleinbäuer*innen vor Ort haben ihre Existenzgrundlage verloren und die Bevölkerung muss seitdem über Tankwagen mit Trinkwasser versorgt werden, was mit hohen Kosten verbunden sind. [3] Vergegenwärtigt man sich zudem, dass 1 kg Avocados lediglich 3 Früchte sind, sollte klar werden, wie prekär die Lage ist.

Avocado ist nicht vegan

Ebendiese prekäre Lage wird von vielen Medien – national und international – der veganen Bewegung angelastet. Die Süddeutsche Zeitung schreibt beispielsweise „Fleisch essen ist ökologisch nicht korrekt. Avocados essen aber auch nicht“, die ZEIT schreibt „Die Avocado gehört zu den wichtigsten Zutaten der veganen Küche“ und der Independent titelt „Why Veganism isn’t as environmentally friendly as you might think“ und macht dies an der Avocado fest. Und zu allem Überfluss ist die grüne Frucht laut einer aktuellen BBC TV-Show noch nicht einmal vegan!

Die dunkle Seite des Veganismus

Ist die Avocado also die dunkle Seite des Veganismus? Haben vegan lebende Menschen den Karren gegen die Wand gefahren? Schauen wir uns vielleicht erstmal die allgemeine Nachfrage nach der Avocado an. Die ist nämlich allein in Amerika in den letzten 20 Jahren um 443% gestiegen, und zwar nicht, weil sich etwa 1 % der Bevölkerung, die vegan lebt, dazu entschieden hat, jetzt mal öfter Avocados zu essen. [4] Wie die Journalist*innen darauf kommen, dass die Avocado ein elementarer Bestandteil der veganen Ernährung ist, ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel. Und was ist mit der Aussage, die Avocado sei gar nicht vegan? Dieser fragwürdige Geistesblitz wurde von Sandi Toksvig, Moderatorin der britischen TV-Quiz-Show „QI“, zum Besten gegeben, welche im Programm von BBC läuft. Sie begründet die Aussage damit, dass für die Produktion von Avocados und anderen Nahrungsmitteln wie Gurken, Kirschen oder Brokkoli, Bienen ausgebeutet werden.

Parallelen zur Honigproduktion

„Es ist derselbe Grund wie bei Honig“, erklärt Toksvig in der Show. „Weil sie so schwierig zu kultivieren sind, basieren die Anbaumethoden auf dem Einsatz von Bienen, die in Lastwagen über weite Strecken durch das ganze Land transportiert werden.“ Insbesondere in Amerika kommt diese Methode in der Lebensmittelproduktion, welche auch als „Migratory Beekeeping“ (Wanderbienenzucht) bezeichnet wird, zum Einsatz. Dass die Bienen darunter leiden zeigt beispielsweise der Umstand, dass Wanderbienen allgemein eine kürzere Lebensdauer und ein schlechteres Immunsystem als stationäre Bienen haben, sowie einen höheren oxidativen Stress aufweisen. [5]

Falsche Interpretation der veganen Philosophie

Zahlreiche Onlineportale und Zeitungen titeln bereits mit einem unterschwelligen, hämischen „haha“, dass Avocados nicht vegan sind. Dazu seien zwei Dinge angemerkt: Erstens, diese Methode kommt nicht generell und überall auf der Welt zum Einsatz und zweitens, wird hier die Grundphilosophie des Veganismus völlig falsch interpretiert. Ein Mensch, der vegan lebt, versucht tierisches Leid so gut es geht und soweit es ihm eben möglich ist zu vermeiden. In einer nicht-veganen Welt ist das nicht immer möglich – darüber sind wir uns (Überraschung!) völlig bewusst. Viele etablierte Formen der Landwirtschaft sind sowohl direkt als auch indirekt mit der Ausbeutung von Tieren verbunden. Vegane Aktivist*innen haben das Ziel, genau das zu ändern und das bisher geringste tierische Leid verursacht de facto eine pflanzenbasierte Ernährung. Da kann noch so viel herumgerechnet und interpretiert werden.

Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass die Nachfrage nach Avocados allgemein gesenkt werden muss, egal ob man sich mischköstlich, vegetarisch oder vegan ernährt. Wer hin und wieder eine Avocado kaufen möchte, dem seien Früchte aus Israel oder Spanien mit dem EU-Bio-Siegel ans Herz gelegt, das tägliche Sandwich mit Avocadocreme sollte aber besser vom Speiseplan gestrichen werden.

Quellen:

[1] Glogowski, Stella (2017): Superfood Avocado, online unter https://www.ernaehrungs-umschau.de/print-news/12-07-2017-superfood-avocado/ [09.07.2018]
[2] Paz Aedo, Maria (2009): Wasser, Demokratie und Menschenrechte: das chilenische „Modell“, online unter https://www.boell.de/de/navigation/ressourcenpolitik-6376.html [15.10.2018]
[3] Heinrich Boell Foundation (2018): Chile: „Secos“ – die dunkle Seite des Avocadobooms, online unter https://www.boell.de/de/2018/02/12/secos-dokumentarfilm-ueber-die-verheerenden-auswirkungen-einer-verfehlten-wasserpolitik [15.10.2018]
[4] Darnton, Julia ( 2017): Avocado consumption: environmental and social considerations, online unter http://msue.anr.msu.edu/news/avocado_consumption_environmental_and_social_considerations [09.07.2018]
[5] https://news.ncsu.edu/2016/08/commercial-bee-study/ [09.07.2018]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.